Parallel zeigt die Adolf-Luther-Stiftung aus Anlass ihres zwanzigjährigen Bestehens im Obergeschoss vom Museum Haus Lange die Ausstellung Adolf Luther. Kunst, Wissenschaft, Technik. Die Einführung in die Präsentation gibt Dr. Magdalena Broska, Kuratorin und Leiterin der Adolf-Luther-Stiftung.
Transposition. Der Kunstpreisträger der Adolf-Luther-Stiftung 2010: Julius Popp
Der mit 5000 Euro und einem Ankauf dotierte Kunstpreis der Adolf-Luther-Stiftung geht in diesem Jahr an den 1973 in Nürnberg geborenen und heute in Leipzig lebenden Künstler Julius Popp. Julius Popp studierte von 1998 bis 2005 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst und war Meisterschüler von Astrid Klein. Nach den Preisträgern Andreas Slominski (1994), Michel Verjux (1996), Bethan Huws (1998), Stephen Craig (2002), Martin Boyce (2004) und Katja Strunz (2006) wird 2010 mit Julius Popp ein Künstler ausgezeichnet, der sich in seinem Werk mit Erscheinungsweisen der digitalen Kultur auseinandersetzt und dabei künstlerische und wissenschaftliche Vorgehensweisen in einer Synthese zusammenführt.
In der Begründung der Adolf-Luther-Stiftung für die Preisvergabe an den Künstler heißt es:
„Der durch die neuen Informationstechnologien bewirkte Wandel in Kultur, Gesellschaft und menschlichem Verhalten ist ein zentrales Thema der Arbeiten von Julius Popp. Seine großen, raumgreifenden Installationen aus natürlichen Elementen wie Wasser, Licht und Bewegung zeigen Facetten des Umgangs mit Informationen und Nachrichten und den ihnen zugrunde liegenden Strukturen. In Popps Werk vereinen sich experimentelles künstlerisches Denken und Handeln und kritisches Hinterfragen unserer digitalen Kultur auf überzeugend sinnliche Weise mit dem ästhetischen Modell der Kunst.“
Seinen internationalen künstlerischen Durchbruch hatte Julius Popp mit der Installation bit-fall (2001/2006), einem Wasserfall, der Buchstaben und Wörter visuell erzeugt. Die Arbeit ist seit 2006 durch die Präsentation der art unlimited auf der Art Basel einem internationalen Publikum bekannt und seitdem in vielen internationalen Ausstellungen – zuletzt 2009 auf der Moscow Biennale – gezeigt worden. In der Krefelder Schau im Museum Haus Lange, die als eine Überblicksausstellung mit wichtigen Arbeiten von Julius Popp aus der bit series, der micro series und der macro series sowie neuen Arbeiten wie Untitled (2010) aus der bit series konzipiert ist, wird sie in einem Video dokumentiert.
Mithilfe eines Computerprogramms, das auf einem statistischen Algorithmus basiert, werden in bit-fall aktuelle Begriffe aus dem online zugeschalteten Internet in Sequenzen von Wassertropfen übersetzt. Das amorphe Medium Wasser wird zum Träger kultureller Informationen, die nur für einen Bruchteil von Sekunden erkennbar sind und sich danach wieder auflösen. bit-fall ist eine Metapher für die Geschwindigkeit des heutigen Informationsflusses und die permanenten Veränderbarkeit von Wissen und Information.
Das Internet speichert Nachrichten und Begriffe und spuckt sie in millionenfachen Kombinationen wieder aus. Für diesen Prozess digitaler Vernetzung, der sich zwischen Auflösung und Formierung bewegt, findet Julius Popp wahrnehmbare Formen und Bilder in der analogen Welt der Kunst. In seiner neuesten Arbeit aus der bit series (Untitled, 2010) wird untersucht, wie sich Information im Raum ausbreitet. Eine Maschine wirft Hunderte von Tischtennisbällen als bits, die kleinste Einheit kodierter Information, in den Raum, wo sie sich unkontrolliert verteilen. Die anfangs als Wörter lesbaren Tischtennisball-Formationen breiten sich chaotisch im Raum aus. Der Besucher soll die zerstreute Information wieder aufsammeln, um so den kontinuierlichen Datenfluss aufrechtzuerhalten.
Auch in der Installation micro-perpendiculars (2008–2011) wird der Betrachter einbezogen in ein interaktives Spiel beweglicher Formen. Die Arbeit besteht aus einer Reihe von Kapseln, in die Prozessoren eingebaut sind, die auf diverse Umwelteinflüsse reagieren: Luftströme, Bewegungen von Menschen im Raum sowie die Bewegung anderer Kapseln. Auf diese Weise entsteht ein flexibles System aus fortwährender Reaktion, Kommunikation und Anpassung. Die zu Forschungszwecken entwickelte Arbeit wird in Krefeld als Work-in-Progress gezeigt.
Julius Popp beschäftigt sich mit der elementaren Gegenwärtigkeit digitaler Informationskultur und ihrer Aktualisierung in Bezug auf den Menschen. „Ich untersuche in meiner Arbeit die Unschärfe des Menschseins. Menschsein ist ein Prozess, der sich permanent verändert, anpasst und neu ausrichtet. Kultur verändert sich die ganze Zeit. Meine Installationen sind Bilder, mit denen die der Kultur zugrunde liegenden Strukturen langsam sichtbar werden.“